Verborgene Partner:innen

Ein Beitrag aus der Reihe "Elephants & Butterflies" – Wissenschaft bildhaft auf den Punkt gebracht

Unsere Entscheidungen werden vom Horizont unserer Optionen bestimmt. Der Psychologe Eric Johnson untersucht, wie die Gestaltung von Auswahlmöglichkeiten uns zu besseren oder schlechteren Entscheidungen verleiten kann. Eines seiner Ziele ist es, Angaben auf Labels zu verbessern, um nachhaltiges Verhalten anzuregen.

Jede einzelne Entscheidung, die wir treffen, wird von, wie ich sie nenne, „verborgenen Partner:innen“ beeinflusst. Bevor wir sie treffen, hat jemand gestaltet, wie wir sie treffen können – sei es im Supermarkt oder auf einer Website. Auf einem Dating-Portal etwa entscheidet jemand, ob Ihnen nur zwei oder endlos viele potenzielle Partner:innen vorgestellt werden. Die Entscheidungsarchitektur könnte also beeinflussen, mit wem Sie Ihr restliches Leben verbringen. In diesem Fall sind die verborgenen Partner:innen die Websitedesigner:innen bzw. die Entwickler:innen der Matching-Algorithmen.

Entscheidungsarchitekturen sind unausweichlich. Als Verbraucher:innen ist es uns einfach nicht möglich, neutrale Entscheidungen zu treffen. Uns wird stets eine Auswahl an Möglichkeiten angeboten. Die Frage ist, ob die Entscheidungsarchitektur uns hilft, gute Entscheidungen zu treffen, oder ob sie uns dazu verleitet, Entscheidungen zu treffen, die im Interesse anderer liegen. Beides ist möglich. Verborgene Partner:innen können sowohl Informationen verbergen und verfälschen als auch aufrichtig alle relevanten Informationen offenlegen. Wie alles im Leben ist auch dies eine Frage der Ethik. Unsere Forschung hat gezeigt, dass weniger wohlhabende bzw. weniger gebildete Menschen sich tendenziell leichter beeinflussen lassen. Ohne eine gute Entscheidungsarchitektur besteht daher die Gefahr, dass die schwächsten Bevölkerungsgruppen benachteiligt werden.

 

Betrachten wir ein Beispiel: Wir haben untersucht, wie Menschen in den USA ihre Krankenversicherung wählen. Dabei haben wir festgestellt, dass sie dazu neigen, mehr Wert auf die Höhe der monatlichen Beiträge zu legen und die bei jedem Arztbesuch fälligen Zahlungen zu vernachlässigen. Die Folge: Weil sie nicht richtig kalkuliert haben, haben sie sich nicht für die beste Versicherung entschieden. Deshalb haben wir die Angebote für sie verglichen und ihnen erklärt, wie hoch ihre Gesamtkosten zum Beispiel nach fünf Behandlungsterminen sein würden. Wir haben eine Entscheidungsarchitektur entworfen, die sie in die Lage versetzte, bessere Entscheidungen zu treffen. 

In gewisser Hinsicht sind wir alle Entscheidungsarchitekt:innen. Wir beeinflussen Entscheidungen beispielsweise, wenn wir einem Freund Empfehlungen für den Restaurantbesuch machen oder unserer Chefin Strategievorschläge unterbreiten. Wenn Eltern ihre Kinder fragen, ob sie ins Bett gehen wollen, kann das zu großen Diskussionen führen. Wenn sie das Framing verschieben und stattdessen fragen, ob die Kinder ins Bett fliegen wollen, verfliegt auch der Widerstand. Die Art und Weise, wie wir Möglichkeiten formulieren, kann einen großen Einfluss darauf haben, welche Entscheidungen andere treffen und wie zufrieden sie damit sind. In unserem Beispiel könnte das Kind etwa denken: „Das Schlafengehen hat richtig Spaß gemacht!“

Ich forsche im Bereich der Kognitionspsychologie. Ich möchte verstehen, warum Menschen gute und weniger gute Entscheidungen treffen, und was sie dabei beeinflusst. Egal, ob wir zwischen verschiedenen Spülmitteln oder potenziellen Lebensgefährt:innen wählen, – wie sieht unsere endgültige Entscheidung aus und was passiert zwischen Reiz und Reaktion?

Ich forsche im Bereich der Kognitionspsychologie. Ich möchte verstehen, warum Menschen gute und weniger gute Entscheidungen treffen, und was sie dabei beeinflusst.

Um diese Fragen zu beantworten, führen wir online Experimente durch. Wir zeigen Menschen hypothetische Einkaufsseiten und analysieren ihre Augenbewegungen, um herauszufinden, was sie wie lange betrachten und was sie üblicherweise ignorieren. Wir führen auch Tests unter realen Bedingungen durch und verwenden reale Daten, beispielsweise von Organspenderegistern, um die Bereitschaft zur Organspende zu ermitteln und herauszufinden, wie diese von der Entscheidungsarchitektur beeinflusst wird. Dabei hat sich herausgestellt, dass die Bereitschaft zur Organspende in Ländern, in denen Menschen ihre ausdrückliche Zustimmung geben müssen, geringer war als in Ländern, in denen sie sich aktiv gegen die Organspende entscheiden müssen.

Mithilfe unseres Projekts in Berlin wollen wir verstehen, was Menschen über den Zusammenhang zwischen ihrem eigenen Verhalten und ihren CO2-Emissionen wissen. Warum kaufen sie nachhaltige Produkte (nicht) oder verhalten sich (nicht) nachhaltig? Weniger nachhaltige Entscheidungen sind zum Teil auf mangelndes Wissen über deren Konsequenzen zurückzuführen. Wir haben Menschen gefragt, welche Fast-Food-Ketten oder andere Unternehmen sie unter dem Gesichtspunkt der Nachhaltigkeit bevorzugen würden, und die Antworten mit dem tatsächlichen CO2-Fußabdruck dieser Unternehmen verglichen. Dabei haben wir festgestellt, dass die Menschen sehr wenig über die Auswirkungen ihrer Entscheidungen wissen, weil verborgene Partner:innen ihnen die relevanten Informationen vorenthalten.

Der Informationsbedarf ist groß und wir untersuchen verschiedene Eingriffsmöglichkeiten, beispielsweise durch freiwillige oder verpflichtende Kennzeichnungen. Ich hoffe, dass wir durch das Projekt ein besseres Bild davon bekommen, wie wir solche Labels gestalten können, damit Menschen die Informationen bekommen, die sie brauchen.

Aufgezeichnet von Mirco Lomoth