Einstein-Fragebogen

Stefan Flasche

 

Lieber Herr Flasche, was bewegt Sie in Ihrem Fachgebiet, der Infektionsepidemiologischen Modellierung, derzeit am meisten?
In den letzen 2 - 3 Jahren haben wir viel Zeit investiert, um ein mathematisches Modell für die Ausbreitung und Krankheitslast des RS-Virus in Deutschland zu erstellen. Dies ist in den vergangen Monaten in die STIKO-Diskussionen zum Nutzen von monoklonalen Antikörpern für alle Kleinkinder eingeflossen. Jetzt, wo die Empfehlung zur RSV-Prophylaxe bei Neugeborenen offiziell ist (seit 27. Juni 2024, siehe Epidemiologische Bulletin des RKI), werden wir das Modell verwenden, um über den potentiellen Nutzen der mütterlichen Impfung als Alternative zu informieren. 


Was war bisher der größte Glücksmoment in Ihrer Arbeit?
Vor 10 Jahren habe ich mit ein paar Kollegen die Hyphothese aufgestellt, dass man bei hoher Impfrate mit einer Pneumokokkenimpfstoffdosis weniger eine ähnliche Schutzwirkung erreichen könnte wie mit den üblichen drei Impfungen. Vor zirka einem Jahr hat die Studie, die wir dahingehend vor 8 Jahren aufgesetzt hatten, dann gezeigt, dass die Hypothese wahrscheinlich korrekt war.


Worauf kommt es an, damit gute Forschung entstehen kann?
Das Wichtigste ist ein gutes Forschungsumfeld. Das beinhaltet natürlich freundliche und clevere Kolleginnen und Kollegen, aber auch die gesamte Infrastruktur darum herum: von Geldgebern, die Mittelflexibilität geben, zu Institutionen, deren Bewertungsgrundlagen nicht nur aus Impaktfaktoren bestehen, sondern kollaboratives, interdisziplinäres und offenes Forschen belohnt.


Welchen gesellschaftlichen Herausforderungen muss sich die Forschung im Bereich Globale Gesundheit stellen?
Globales Denken erfordert Weitblick und Bereitschaft, kurzfristig lokale Kompromisse zu machen. Das Argument des Forschungsbereiches Globale Gesundheit, dass die Investition von deutschen Geldern in Gesundheit außerhalb Deutschlands nicht nur hilfreich ist, sondern mittelfristig Deutschland hilft, ist schwierig zu kommunizieren. 


Was begeistert Sie, wenn Sie nicht gerade forschen?
Familie, Freunde, Schwimmen und Volleyball.


Färbt Ihre Forschung manchmal auf Ihren Alltag ab?
Dauernd. Teilweise auch dadurch, dass ich meine Familie dazu drängele, an wissenschaftlichen Studien teilzunehmen, wenn sich die Möglichkeit ergibt, zuträglich zu sein.


Ihr(e) Held:in der Wissenschaft? 
Ich habe das Glück, mit vielen lebenden Legenden gearbeitet zu haben und zu arbeiten. Die wahren Helden sind aber die PhD-Studenten und -Studentinnen sowie Postdocs, die sich nicht von den meist schwierigeren Arbeitsbedingungen in der Forschung unterkriegen lassen und das Rückrat aller Forschungsergebnisse bilden. 


Gibt es etwas in Berlin, das Sie nur hier für Ihre Forschung finden?
Eher im Gegenteil: Ich bin nicht nach Berlin gekommen, weil es bereits ein exzellentes Forschungsumfeld für meinen Bereich gibt, sondern um zu helfen, eines aufzubauen. Und weil der Döner hier einfach besser schmeckt als in England …