Pressemitteilung

15.08.2019

Internationale Expertise für Berlin

Mit welchen Herausforderungen wird das liberale Ordnungsmodell konfrontiert? Wie verhilft das Verständnis enzymatischer Strukturen zu einer effizienteren Energieversorgung? Warum beeinflussen Nervenzellen unser Verhalten, und worin liegt die Kernaufgabe mathematischer Optimierung? Vier international renommierte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die von der Einstein Stiftung als Einstein Visiting Fellows gefördert werden, widmen sich ab Januar 2020 diesen spannenden Forschungsfragen in Berlin. Im Rahmen der Fellowships bauen die aus England, der Schweiz, den USA und aus Griechenland kommenden Forscherinnen und Forscher eine Arbeitsgruppe an der jeweiligen Berliner Gasteinrichtung auf und arbeiten während mehrwöchiger Aufenthalte an innovativen Projekten. Im Programm Wissenschaftsfreiheit, das weltweit bedrohten oder in ihrer wissenschaftlichen Arbeit eingeschränkten Personen einen Gastaufenthalt in Berlin ermöglicht, wurden die Anträge von 23 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern verlängert. Neu in der Förderung ist zudem ein Einstein-Forschungsvorhaben.


In der Personenförderung unterstützt die Einstein Stiftung zukünftig folgende Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler:


Einstein Visiting Fellows


Andrew Hurrell, University of Oxford/Freie Universität Berlin

Der Politikwissenschaftler Andrew Hurrell ist Montague Burton Professor für Internationale Beziehungen an der University of Oxford. Hurrell, Mitglied der British Academy, gilt als einer der einflussreichsten Wissenschaftler im Bereich der Internationalen Beziehungen. Zu seinen Forschungsschwerpunkten zählt die Theoriengeschichte der Internationalen Beziehungen – mit besonderem Augenmerk auf internationalem Recht, Institutionen und Global Governance. In Berlin wird Andrew Hurrell in die Forschungsvorhaben des Exzellenzclusters „Contestations of the Liberal Script (SCRIPTS)“ an der Freien Universität eingebunden, in dem die gegenwärtige Auseinandersetzung um die liberale Ordnung aus historischer, vergleichender und globaler Perspektive untersucht wird.


Anne-Frances Miller, University of Kentucky/Technische Universität Berlin

Die Technische Universität Berlin profitiert zukünftig von der Expertise der herausragenden Chemikerin Anne-Frances Miller. Neben der Verwendung von Techniken, etwa der Kernspinresonanzspektroskopie, führt Miller neuartige computertechnische Ansätze ein, mit deren Hilfe sie enzymatische Strukturen und Funktionen offenlegt. Mit Blick auf die globale Ressourcenknappheit und steigende Bedarfe hinsichtlich nachhaltiger Strategien zur Energie- und Wasserversorgung, zielt Millers Forschung darauf ab, enzymatische Mechanismen zu verstehen, um sie langfristig in die industrielle Energieversorgung zu implementieren. Als Einstein Visiting Fellow wird die Wissenschaftlerin zukünftig in die Aktivitäten des Einstein-Zentrums Katalyse involviert, das mit dem Exzellenzcluster „Unifying Systems in Catalysis“ (UniSysCat) an der Technischen Universität Berlin und dem Sonderforschungsbereich „Protonation Dynamics in Protein Function“ an der Freien Universität Berlin kooperiert.


Panayiota Poirazi, Institute of Molecular Biology and Biotechnology (IMBB), Griechenland/Humboldt-Universität zu Berlin

Panayiota Poirazi ist Biomedizintechnikerin und Professorin am Institut für Molekulare Biologie und Biotechnologie auf der griechischen Insel Kreta. Im Forschungsfokus der Wissenschaftlerin steht die Frage, welche Rolle den Dendriten – vom Zellkörper abgehende Zellfortsätze bei einer Nervenzelle – in der Gehirnfunktion zukommt. Am Exzellenzcluster „NeuroCure“ an der Charité-Universitätsmedizin Berlin unterstützt Poirazi fortan ein Forschungsvorhaben, in dem neuronale Mechanismen in Bezug auf Verhaltensflexibilität untersucht werden. Insbesondere Poirazis Kompetenz im Bereich der computergestützten Modellierungsverfahren ist eine Bereicherung für die Berliner Neurowissenschaften.


Robert Weismantel, Eidgenössische Technische Hochschule Zürich/Technische Universität Berlin

Diskrete Mathematik und mathematische Optimierung sind die Forschungsschwerpunkte von Robert Weismantel, Professor für Mathematik an der ETH Zürich und Leiter des Institute for Operations Research. Weismantels Forschung hat internationale Anerkennung gefunden und Theorien sowie neuartige Algorithmen hervorgebracht. Mit seiner Expertise wird Weismantel zukünftig die Projekte der Berliner Mathematik bereichern und hierbei am Exzellenzcluster „MATH+“ der drei großen Berliner Universitäten forschen, das theoretische und angewandte Mathematik vereint. Ziel der Forschungskooperation ist es, eine Theorie für bislang unerforschte gemischt-ganzzahlige Optimierungsprobleme in hohen Dimensionen zu entwickeln.


Wissenschaftsfreiheit

Mit dem Programm Wissenschaftsfreiheit, das im August 2018 startete, fördert die Einstein Stiftung Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus Krisengebieten, deren wissenschaftliche Freiheit in ihren Heimatländern eingeschränkt ist. Jetzt wurden die Fellowships von 13 Frauen und zehn Männern verlängert, die aus der Türkei, Syrien, dem Iran, Albanien und Ghana stammen. Als Einstein Guest Researchers und Einstein Junior Scholars unterstützen sie – in einem Förderzeitraum von insgesamt bis zu zwei Jahren – Forschungsgruppen an den Berliner Universitäten und an der Charité-Universitätsmedizin Berlin.


Im Bereich der Projektförderung finanziert die Einstein Stiftung zukünftig folgendes Einstein-Forschungsvorhaben:


„Jewish Homosexual Modernism in the German Speaking World and in Mandatory Palestine/Israel“

Der Literaturwissenschaftler Andreas Kraß (Humboldt-Universität zu Berlin), die Literaturwissenschaftlerin Tamar Hess und der Historiker Moshe Sluhovsky (beide Hebräische Universität Jerusalem) stellen die Hypothese auf, dass von 1890 bis 1945 ein neuer literarischer Kanon entstand, den sie als „jüdisch-homosexuelle Moderne“ bezeichnen. Das Forschungstrio geht von der Annahme aus, dass die moderne hebräische Literatur zwar von der modernen deutschen Literatur geprägt wurde, aber auch ihrerseits Anteil an der Konstruktion und Verbreitung des jüdisch-homosexuellen Kanons hatte. Die Wissenschaftlerin und die Wissenschaftler untersuchen die Verschränkung von Judentum und Homosexualität unter dem doppelten Gesichtspunkt der Fremd- und Eigenbilder und erkunden den Einfluss dieser Verschränkung, die oft auf der Austauschbarkeit von antisemitischen und homophoben Vorstellungen beruht, auf die europäische Moderne. Das Forschungsvorhaben zielt darauf ab, das Wissen über die jüdisch-deutsche Literatur zu erweitern und einen neuen Blick auf den Kanon der literarischen Moderne zu eröffnen.


Die Einstein Stiftung fördert Wissenschaft und Forschung in und für Berlin auf internationalem Spitzenniveau – und das seit mehr als zehn Jahren. Mit ihren fächer- und institutionenübergreifenden Förderformaten stärkt die Stiftung den Wissenschaftsstandort Berlin langfristig. Insgesamt 135 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler – unter ihnen drei Nobelpreisträger – 66 Projekte und sechs Einstein-Zentren wurden bislang gefördert. Für die Wissenschaft. Für Berlin.